Querschnittlähmung als Risikofaktor für Harnblasenkrebs

Die Lebenserwartung von Menschen mit Querschnittlähmung ist in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. Betroffene können annähernd so alt werden wie nichtbehinderte Menschen. Mit zunehmender Lebenserwartung rücken aber weitere Erkrankungen ins Blickfeld der Mediziner, wie zum Beispiel der Harnblasenkrebs.
 
Durch Fortschritte in der modernen Medizin hat sich die Lebenserwartung von Menschen mit einer Querschnittlähmung deutlich verbessert: Personen mit einer Lähmung der Rumpfmuskulatur und der unteren Gliedmaßen haben eine um ca. zwei Jahre verkürzte Lebenszeit. Bei tetraplegisch Verletzten, bei denen zudem die Armmuskulatur gelähmt ist, sind es ca. acht Jahre. Gesundheitliche Probleme, die erst nach Jahren auftreten, wie beispielsweise Tumorerkrankungen der Harnblase, sind zunehmend relevant im Laufe der Behandlung von Querschnittgelähmten.
 
Mehr invasive Tumoren
Den Zusammenhang zwischen Querschnittlähmung und dem Auftreten von Harnblasenkrebs haben Urologen des Berufsgenossenschaftlichen Klinikums Hamburg zusammen mit anderen Urologen und Forschern des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) untersucht. Dazu hat das Expertennetzwerk zum einen eine umfangreiche Literaturrecherche betrieben und alle bereits veröffentlichten Studien zum Thema ausgewertet. Zum anderen haben die Forscher die Daten von knapp 6600 Patienten mit Querschnittlähmung analysiert, die zwischen 1998 und 2014 im Hamburger Klinikum behandelt wurden. Bei 24 Patienten wurde ein Harnblasentumor diagnostiziert. In 79 Prozent der Fälle handelte es sich um einen invasiven Tumor. Diese Tumorvariante ist seltener, aber auch aggressiver und hat daher eine schlechtere Prognose.
 
Jüngeres Erkrankungsalter
„Im Schnitt waren die querschnittgelähmten Patienten, die an einem Harnblasenkrebs erkrankten, deutlich jünger als nicht querschnittgelähmte Personen mit Harnblasenkrebs“, sagen die Studienleiter Dr. Ralf Böthig, Leiter der Neuro-Urologie des Berufsgenossenschaftlichen Klinikums Hamburg und Prof. Klaus Golka, Leiter der Forschungsgruppe „Klinische Arbeitsmedizin“ am IfADo. Eine Verschiebung des Erkrankungsalters bestätigte auch der Literaturvergleich: Querschnittgelähmte lagen zum Zeitpunkt der Diagnose Harnblasenkrebs 15 bis 30 Jahre unter dem Durchschnitt in der Normalbevölkerung. „Diese Befunde weisen klar darauf hin, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Querschnittlähmung und dem Harnblasenkarzinom bei diesen Patienten besteht“, so die beiden Studienleiter. Die Datenauswertung ergab außerdem, dass, wenn zwischen dem Zeitpunkt des Unfalls bzw. des Lähmungseintritts und der Diagnose Harnblasenkrebs zehn Jahre oder mehr liegen, ein erhöhtes Erkrankungsrisiko besteht. Welche Gründe diesen Ergebnissen zugrunde liegen, wissen die Forscher aber noch nicht. „Wir planen eine prospektive Studie, in der wir auch die Pathomechanismen erforschen wollen“, sagen die beiden Studienleiter.
 
Publikation:
Böthig, R., Kurze, I., Fiebag, K., Kaufmann, A., Schöps, W., Kadhum, T., Zellner, M., Golka, K. (2017): Clinical characteristics of bladder cancer in patients with spinal cord injury. The experience from a single centre. Int Urol Nephrol. doi: 10.1007/s11255-017-1570-6.
 
Quelle: Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund
Online-Quelle: www.aerztliches-journal.de vom 11. April 2017

Hier ergänzend die Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund vom 03.04.2017:
Pressemitteilung „Querschnittslähmung als Risikofaktor für Harnblasenkrebs